Haushaltsrede 2011

Herr BM, sehr geehrte Damen und Herren,
Von Robert Louis Stevenson, dem Verfasser der „Schatzinsel“ stammt der Satz: „Im Leben geht es nicht nur darum, gute Karten zu haben, sondern auch darum, mit einem schlechten Blatt gut zu spielen.“ Dies beschreibt sehr anschaulich unsere Situation. Wie auch im vergangenen Jahr reichen die Einnahmen der Kommune weder vorne noch hinten. Aber wir müssen das Beste daraus machen.
Immerhin sind wir gegenüber dem letzten Jahr, das noch durch die Weltwirtschafts­krise gekennzeichnet war, in der leicht verbesserten Situation, dass wir die laufenden Ausgaben von 31 Mio. bereits wieder durch Einnahmen decken können. Von der vorgeschriebenen Mindestzuführung zum Vermögenshaushalt, die der Gesetzgeber als Kennzeichen eines normalen Haushalts wertet, sind wir allerdings noch weit entfernt. Diese sollte nämlich mindestens die jährliche Tilgung der Kredite abdecken, will heißen, im laufenden Betrieb sollte die Gemeinde mindestens so viel Überschuss erwirtschaften, dass sie ihre Kredite bei den Banken tilgen kann. Diese Mindest­zuführung müsste bei uns somit 770.000 Euro betragen. Sie liegt aber gerade mal bei 59.000 Euro. Das heißt im Klartext: ein weiteres Jahr, in dem wir Kredite aufnehmen müssen, nämlich ca. 2,5 Mio., und unsere alten Kredite in Höhe von 19 Mio. nicht einmal ansatzweise abbezahlen können. Der Grund hierfür ist ein mittlerweile in vielen deutschen Kommunen herrschendes Übel, das sich rasend schnell ausbreitet: das strukturelle Defizit. Die Kommunen haben in den letzten Jahren in seltener Einigkeit von Bund und Land ständig neue Aufgaben zugewiesen bekommen, allerdings ohne entsprechende Finanzierung. Hinzu kommt der ohnehin schon umfangreiche Kanon der Pflichtaufgaben: Gehälter müssen gezahlt werden, nämlich 7,5 Mio., öffentliche Gebäude wie Schulen, Kindergärten und Hallen müssen betrieben und unterhalten werden (1,7 Mio.). Straßen und Wege müssen ausgebes­sert, beleuchtet und im Winter geräumt werden, die Kanalisation, unser Sorgenkind, muss peu à peu ausgetauscht werden, die Feuerwehr schlagkräftig und einsatzfähig erhalten bleiben (226.000 Euro).
Neben diesem Pflichtprogramm der Gemeinde sind aber auch freiwillige Leistungen enthalten, die eine Mehrheit des Gemeinderats für wichtig erachtet und über die man selbstverständlich trefflich streiten kann. So war und ist für die SPD z.B. eine für die Eltern bezahlbare, aber umfassende Kinderbetreuung wichtig, um die Berufstätigkeit beider Eltern, aber auch von Alleinerziehenden zu unterstützen. Dies kostet uns im Jahr nach Abzug der Einnahmen ca. 2 Mio. Euro. Unsere Schulsozialarbeiter kosten uns ca. 100.000 Euro. Wie wir meinen, wohl angelegtes Geld, das uns spätere Kosten im Jugendbereich erspart. Traurig nur, dass die Kommunen und der Kreis dies allein schultern müssen und die Landesregierung dem tatenlos zusieht. Unser Hallenbad, Zuschuss 150.000 Euro jährlich, hätten wir natürlich auch schließen können. Dann hätten die Pfinztaler Schüler keinen Schwimmunterricht mehr gehabt. Die Karlsruher Bäder waren ebenfalls dicht. Somit haben wir uns für die Beibehaltung des Schwimmunterrichts und dieses Freizeitangebots entschieden. Unsere Sport­hallen schlagen mit ca. 1 Mio. zu Buche. Auch diesen Betrag akzeptieren wir ganz bewusst, weil wir das reichhaltige Sportangebot, das unsere Vereine anbieten für sehr wichtig halten. Aus diesem Grund haben wir bisher auch nicht die Zuschüsse in Höhe von 45.000 an die Vereine gekürzt. Dieses Geld ist nach unserer Meinung gut angelegtes Geld, vor allem durch die ausgezeichnete Jugendarbeit, die unsere Vereine betreiben. Da gilt, was ich schon zur Schulsozialarbeit ausgeführt habe: auch diese Beträge ersparen spätere „Reparaturkosten“. In diesem Zusammen­hang allen in unseren Vereinen ehrenamtlich Tätigen ein herzliches Dankeschön der SPD-Fraktion. Aber wir waren immer noch bei den Freiwilligkeitsaufgaben. Von der Jugend zu den Senioren. Auch hier sehen wir uns in der Pflicht. Wir unterstützen freiwillig Diakonie, AWO und Hospizdienst mit hohen Beträgen, die unseren älteren Mitbürgern zu Gute kommen. Hier werden wir sicherlich in den nächsten Jahren noch nachbessern müssen, wenn man den demografischen Zahlen glauben darf.

Wenn wir nun unter diese ganzen Ausgaben den Strich ziehen, stehen wir bei 31 Mio. Euro, welche die Gemeinde allein für Pflicht- und freiwillige Aufgaben zu schultern hat. Und was nimmt sie ein? Direkt von den Bürgern: 1,6 Mio. aus der Grundsteuer, 7 Mio. aus der Einkommenssteuer, 3,3 Mio. aus der Gewerbesteuer – für die sie aber gleich wieder 710.000 Euro abführen darf -, 230.000 Euro aus der Umsatzsteuer, noch einige Peanuts aus Verwaltungsgebühren und nicht zu vergessen grade mal 6,6 Mio. Schlüsselzuweisungen aus Stuttgart für diese vielfältigen genannten Aufgaben – wovon 3,9 Mio. Euro als Finanzausgleichsumlage gleich wieder zurückgehen. Da wird schnell klar, dass diese Rechnung nicht aufgehen kann, dass bei uns wie in so vielen Gemeinden ein strukturelles Defizit vorliegt. Dieses Defizit kann weder die Verwaltung noch der Gemeinderat beheben,– auch nicht wenn auf alle Freiwillig­keitsleistungen verzichtet würde, das kann nur durch die hohe Politik ausgeglichen werden.

Kommen wir nun zum Investitionshaushalt, denn trotz schlechter Finanzen müssen und wollen wir auch in diesem Jahr investieren. Gerne hätten wir mehr z.B. in die bauliche Substanz öffentlicher Gebäude investiert, denn vieles liegt da im Argen und verursacht Folgekosten. Außerdem haben kommunale Investitionen immer auch positive Auswirkungen auf unser Gewerbe. Da ja aber, wie bereits belegt, bei uns nicht einmal die Mindestzuführung „hereinkommt“, und der gesamte Investitionshaushalt auf Pump angelegt ist, haben wir uns auf das absolut Notwendige beschränkt. Insgesamt werden knapp 4,9 Mio. Euro investiert. Die größten Posten des Investitionshaushalts sind noch Restzahlungen aus dem letzten Jahr. Da hatten wir - unserer Meinung zu Recht - viel Geld aus dem Konjunkturpaket des Bundes abgerufen, was aber zu gleichen Teilen gegenfinanziert werden muss. Auch da ließe sich trefflich streiten, ob die von uns in dem Rahmen investierten Unterhaltungs­maßnahmen in unsere Schulen wirklich notwendig waren. Allerdings wenn man schon die Hand zwischen Fensterrahmen und Hauswand durchstrecken kann, sollte man nicht mehr allzu lange über Maßnahmen nachdenken und so haben wir die Bundesgelder gerne für umfangreiche Sanierungsarbeiten in Anspruch genommen. Die Restinvestitionen für diese Posten betragen in diesem Jahr immerhin noch ca. 1,8 Mio.
Auch der von uns befürwortete Ausbau in die Kinderbetreuung zieht noch Restzahlungen aus den diversen Kinderkrippen- und Gruppenerweiterungen nach sich – ca. 200.000. Spielplätze müssen neu angelegt oder alte gegen neue Geräte ausgetauscht werden. Dabei liegt uns vor allem die Skateranlage in Berghausen, das Klettergerüst auf dem Rokycanyplatz in Kleinsteinbach und der Bolzplatz Wöschbach am Herzen (alles zusammen 70.000 Euro).
Für uns unverständlich sind die Forderungen der übergeordneten Behörden wie z.B. ein neuer Regenüberlauf in Sölligen für 150.000 nach Abzug der Zuschüsse, auch wenn nachweislich unser eingeleitetes Wasser sauber ist. Da kann man vor so viel Bürokratie, die der Bürger mit seinen Steuergeldern zahlt, nur den Kopf schütteln. Unsere städtebaulichen Investitionen sind ebenfalls wichtig und richtig. 130.000 für die Brücke zur Entlastung des Bahnübergangs Kleinsteinbach ist die einzig mögliche Lösung, 200.000 für die Engelfeld-Planung in Söllingen werden irgendwann wieder zurückfließen. Wir stehen zu diesem mit großer Mehrheit beschlossenen Baugebiet in Söllingen, auch wenn wir uns viel Ärger eingeholt haben, als wir uns einem 2. Baugebiet in Berghausen verweigert haben. Die Zeit gibt uns allerdings Recht. Baugebiete im Umland füllen sich mangels Zuzug nur noch sehr langsam und machen sich gegenseitig Konkurrenz, drücken auf die Preise. Das wollten und wollen wir unseren Bürgern nicht zumuten. Andererseits ist aber auch unsere Natur, sind unsere Flächen zu kostbar, als dass wir ohne Not unsere wenigen noch im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Baugebiete gleichzeitig mobilisieren sollten. Wir wollen nachhaltig planen.
Ganz bewusst haben wir trotz leerer Kassen wieder Kanalisation und Wasserleitungen aufgenommen und wollen die in Berghausen begonnenen Arbeiten im Unterdorf fortführen.
Ebenfalls waren uns Investitionen (40.000) in die Feuerwehr Kleinsteinbach wichtig. Wir meinen, wer ehrenamtlich zur Tag und Nachtzeit ausrückt, muss sich nicht hinter den Fahrzeugen zum Umziehen verstecken ganz zu schweigen, dass die dort herrschenden Umstände gefahrvoll und baurechtlich schon lange nicht mehr zulässig sind. Auf diesem Wege den Frauen und Männern der Feuerwehr unser herzliches Dankeschön für ihren Einsatz.
Alles in allem ein Investitionshaushalt von 4, 8 Mio. Euro. Abzüglich der durch Zuschüsse zu den Maßnahmen gesicherten Einnahmen, bleibt immerhin noch ein Betrag von knapp 2,5 Mio. Euro, der sofern sich die Zahlen im Verlauf des Jahres nicht noch deutlich verbessern, zum Jahresende aufgenommen werden muss. Damit überschreitet die Gemeinde erstmals die 20 Millionen Schuldengrenze. Das bedeutet jährlich allein 1,6 Mio. für Zins und Tilgung. Geld das uns dringend für andere Dinge fehlt. Diesem Zustand hätten wir abhelfen können, wenn wir – wie die SPD-Fraktion vorgeschlagen hatte – unsere Aktien verkauft hätten, zumal das Land die Aktien zu einem hohen Preis angekauft hätte.
Der genannte Schuldenstand ist aber längst nicht das Ende der Fahnenstange. Und damit komme ich nun zum Eigenbetrieb Wasser. Denn auch unser Eigenbetrieb Wasser hat erhebliche Schulden, nämlich 5 Mio., die ja letztendlich kommunale Schulden sind und zu unseren 20 Mio. hinzugezählt werden müssen. Im Unterschied zum normalen Gemeindehaushalt kann und sollte allerdings die Wasserversorgung über die Gebühren kostendeckend betrieben werden. Angesichts dieser Schulden und einem Verlustvortrag von 550.000 Euro wird jedem klar, dass dies in Pfinztal nicht funktioniert. Aus diesem Grund wollte die SPD-Fraktion hier die Bremse ansetzen und hat in der letzten Gebührendiskussion im Herbst zwar nicht frohen Herzens aber aus Vernunftgründen eine Erhöhung der Gebühr gefordert. Dies fand keine Mehrheit. Die SPD-Fraktion kann dieser Entwicklung nun nicht mehr zustimmen und lehnt aus diesem Grund den Wasserhaushalt ab. Wir sehen – was uns ja auch von der Verwaltung bestätigt wurde – dass in den Eigenbetrieb Wasser aufgrund der zum Teil sehr alten Leitungen und Anlagen kontinuierlich investiert werden muss. „Richtig so“, wenn wir ständige Rohrbrüche vermeiden wollen. Deshalb haben wir den Investitionen in das Netz im Unterdorf auch zugestimmt. Aber nicht immer auf Pump. Für dieses Jahr ist schon wieder eine halbe Million Kreditaufnahme vorgesehen. Eine Erhöhung um 10 cent wie von der SPD vorgeschlagen, hätte immerhin 80.000 Euro mehr in die Kasse gebracht, einen Bürger mit einem durchschnittlichen jährlichen Wasserverbrauch von 45m³ im Jahr aber nur mit jährlich 4,50 Euro belastet. Kurzum: wir werden den Wasserhaushalt so lange ablehnen, bis uns die Verwaltung ein vernünftiges Konzept vorlegt, wie wir zuallererst den Verlustvortrag ausgleichen, dann allmählich die Schulden abbauen und trotzdem gleichzeitig in die alten Versorgungsleitungen investieren können – immerhin liegen Zins und Tilgung auch beim Wasser bereits bei einer halben Million.

Abschließend darf ich mich bei der Verwaltung im Namen der SPD-Fraktion für die geleistete Arbeit und insbesondere bei den Amtsleitern für die Geduld bedanken, die sie in den häufigen Anrufen und Rückfragen aufbringen. Herr Bürgermeister, bitte geben Sie unseren Dank auch an die nicht hier anwesenden Mitarbeiter weiter.

Um nochmals auf mein Eingangszitat zurück zu kommen: wir haben das Beste aus dem schlechten Blatt gemacht und können nur hoffen, dass beim nächsten Austeilen auch wieder ein paar Trümpfe dabei sind. Die Chancen stehen nicht schlecht, gilt doch die Weltwirtschaftskrise offiziell als abgehakt und…..
in 4 Wochen sind Wahlen…….

Die SPD-Fraktion stimmt dem kommunalen Haushaltsplan für das Jahr 2011 zu, lehnt den Haushaltsplan für den Eigenbetrieb Wasser jedoch ab.

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